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>J: Ein Geheimnis ist erst dann ein Geheimnis, wenn nicht einmal dies zum Vorschein kommt, daß
ein Geheimnis waltet.
F: Für die oberflächlich Eiligen nicht minder als für die sinnend Bedächtigen muß es so aussehen, als gäbe es
nirgends ein Geheimnis.<
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Das menschliche Dasein lebt in der Weise, daß es sich “auslegt”. Auslegung ist in sich notwendig
bezogen auf den Charakter des Rätselhaften, Labyrinthischen; Auslegung ist offenbar dort vonnöten, wo keine vollständige Durchsicht, keine restlose Klarheit, keine endgültige Aufhellung gegeben ist. (...) Das
Verstehen dringt in den Raum einer Dunkelheit ein, bringt “Licht in die Sache”, aber vertilgt dabei nicht das Rätselhafte schlechthin, löst es nicht in glatte durchgängige Verständlichkeit auf. Vielmehr das hier
vorwaltende Verstehen ist ein Wissen um die letztliche Uneinlösbarkeit des Auslegungsgegenstandes; es wahrt selber seine echten Möglichkeiten, je offener es sich seine grundsätzliche Begrenzheit eingesteht. Aber
wiederum ist ein solches Eingeständnis nicht eine säuberlich gezogene Demarkationslinie zwischen dem Wißbaren und dem Unwißbaren. Nicht dort haben wir einen ursprünglichen Umgang mit dem Geheimnis, wo wir meinen,
seinen Rand gegen die Helle des Entdeckten und Entschleierten festlegen und abgrenzen zu können, von irgend einer “kritischen” Warte aus die Reichweite des menschlichen Erkenntnisvermögens apriori überschauen zu
können. Dann nehmen wir sozusagen in einer künstlichen und überheblichen Gedankenmontage auseinander, was in der Lebenswirklichkeit des Wissens und Erkennens sich durchdringt, was heillos ineinander verflochten und
verwirkt ist. Das Geheimnis bildet den Raum des Verstehens, nicht seine jenseitige Grenze. (...)Der delphische Spruch “Erkenne dich selbst” (...) ist vor allem ein existenzieller Appell, ein Aufruf, in der Frage
nach dem Menschsein zu existieren, im Kampf zu leben zwischen Bergung und Aussetzung, sich wissend in das Geheimnis hineinzuhalten.
Eugen Fink, Grundphänomene des menschlichen Daseins, Freiburg/ München 21995
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